Wie geht eine Opernproduktion in Corona-Zeiten? Geht sie überhaupt? Und wenn ja wie? Vor diesen Überlegungen stand das Orga-Team der Rathausoper für die Produktion 2020. Und ein kleiner Spoiler vorneweg: Es geht. Und zwar ganz fantastisch. Doch gucken wir uns erstmal kurz die Geschichte der Rathausoper an.
Die Rathausoper
Die Rathausoper im Innenhof des Konstanzer Rathauses findet seit 1982 statt. Der damalige musikalische Leiter Peter Bauer gründete die Freilichtbühnenproduktion, die seit dem jeden Sommer im August präsentiert wird. Im Renaissance-Innenhof des Rathauses wird jedes Jahr eine neue Opernaufführung mit jährlich wechselndem Ensemble aufgeführt.
Nach über 35 Jahren übergab Peter Bauer die Produktion in die Hände von Ruth Bader, Daniel Grünauer und Eckart Manke, die gemeinsam das Produktionsteam bilden.
Dichterliebe 2020
Es war nicht das erste Mal, dass ich bei einer Aufführung der Rathausoper war, aber ich war jetzt natürlich neugierig wie in Corona-Zeiten die Aufführung organisiert und inszeniert wurde. Und es hat mir wirklich gefallen. Die Organisation war superprofessionell und angepasst an die aktuelle Situation. Pünktlich um 20.45 Uhr begann die Vorstellung mit einem 9-köpfigen Orchester, zwei Sängern und einem Schauspieler.
Der Brief Heinrich Heines, in dem er die Cholera-Zustände im Paris der 1850er schildert, sorgten für den einen oder anderen Schmunzler, ergeben sich doch durchaus Ähnlichkeiten zu heute. Masken, unvorsichtig Feiernde und leere Boulevards erinnerten doch schon sehr an das Runterfahren des Lebens durch Corona.
Die gesamte Inszenierung ist dramatisch, traurig und morbide, erweckt das Lebensgefühl des romantischen 19. Jahrhunderts zum Leben und lässt das Publikum eintauchen in die Texte und die Musik Heines und Schumanns.
Die coronabedingte Inszenierung in den Fenstern des Rathauses fand ich eine super Idee, die auch zukünftig beibehalten werden sollte. So ist das Rathaus nicht nur Kulisse oder Leinwand, sondern Teil des Stücks, was ich sehr schön fand. So bekam der Renaissancebau Leben eingehaucht und spielte ebenfalls eine Rolle. Die beiden Sänger in den Fenster wecken natürlich die Assoziation an Romeo-und-Julia-Vorstellungen, sie sind nahe beieinander, aber eben doch getrennt durch die Fensterlaibung. Die langsamen, reduzierten Bewegungen und die in die Ferne gerichteten Blicke der Protagonisten unterstreichen das Gefühl der Einsamkeit, der Verlorenheit, der Traurigkeit, die durch Musik und Texte schweben.
Mir kamen sofort die Bilder von John William Waterhouse in den Sinn. Irgendwie hat mich die Inszenierung daran erinnert.
Die Lichtinstallation, die die Fassade in Farben und Formen taucht, haucht dem Gebäude zusätzlich Leben ein und bringt den Renaissance-Bau zum Tanzen, zum Fließen und so verschwimmen die Ebenen der Musiker mit denen der Sänger zu einer großen Bühne.
Ich bin schon sehr gespannt auf die Produktion 2021.
Infos zur Dichterliebe 2020
DICHTERLIEBE
nach Robert Schumanns „Dichterliebe“ op.48
auf Texte von Heinrich Heine in der Kammerorchesterfassung von Christian Jost
Leitung:
Musikalische Leitung: Eckart Manke
Inszenierung: Daniel Grünauer
Produktionsleitung: Ruth Bader
Korrepetition: Bernhard Renzikowski
Lichtdesign: Shara Werschke
Visuals/Mapping: Jan Behnstedt-Renn und a2r:media
Kostüme: Joachim Steiner
Assistenz/Inspizienz Irina Oberdorfer
Technik: Alex Fuchs
Ticketing: Lea Joos
Es spielt das Orchester der RathausOper:
Flöte Lea Polanski
Klarinette Kai Ahrens
Vibraphon/Marimba Paul Strässle
Harfe Luiza Mattoso
Klavier Bernhard Renzikowski
Violine 1 Katharina Vogt
Violine 2 Friederike Sturm
Viola Irene Oesterlee
Violoncello Aleke Alpermann