Kann eine Komödie, die 414 v. Chr. zum ersten Mal aufgeführt wurde, heute noch funktionieren? Ja, kann sie. Natürlich ein bisschen ans heutige Publikum angepasst, aber der Inhalt von Aristophanes` Stück „Die Vögel“ ist immer noch erschreckend aktuell. Und damit sieht man auch, dass sich die Menschheit nicht unbedingt in allen Bereichen sonderlich weiterentwickelt hat.
Worum geht´s im Stück?
Die beiden Athener Peisthetairos und Euelpides haben die Nase voll vom korrupten und abgehalfterten Athen und träumen von einem Ort, an dem alles besser ist. Sie kommen am Palast des Vogelkönigs vorbei und können gerade noch rechtzeitig den Vögeln klarmachen, dass sie eigentlich auch Vögel sind – da sie aber gerade in der Mauser sind, haben sie eben vorübergehend keine Federn. Die beiden schlagen den Vögeln vor einen eigenen Staat zu errichten, um mehr Macht zu erhalten. Sie müssen diesen Staat – in der Luft, zwischen den Menschen auf der Erde, und den Göttern im Himmel – jedoch errichten, ohne dass die Götter es mitbekommen. Sobald der Staat fertig ist, können sie alles kontrollieren. Die Götter werden ausgehungert, das die Opfer der Menschen nicht mehr zu ihnen nach oben steigen.
Gesagt, getan, der Staat wird errichtet. Prometheus taucht auf und sagt ihnen, dass wohl schon bald die Götter mit Verhandlungswünschen auf sie zukämen. Allerdings sollten sie sich auf nichts einlassen, wenn nicht Peisthetairos die Göttin Basilea von Zeus zur Frau bekäme. So geschieht es dann auch und plötzlich ist Peisthetairos nicht mehr so sehr an Demokratie interessiert…
Die Umsetzung auf der Konstanzer Bühne
Knallbunt. Laut. Schrill. Überdreht. Schräg. Witzig. Zum Brüllen komisch. So kommt die Inszenierung von Ingo Putz auf den ersten Blick daher. Doch sie hat auch leise Zwischentöne, Tiefgang und eine Aussage. Und so wird das Stück – trotz allen Lachern – auch anstrengend, weil es fordernd ist. Fordernd dahingehend, dass man sich mit sich selbst und seiner Umgebung auseinandersetzen muss. Damit, was man selbst will, ist, erreichen kann. Was man ändern will. Ob man in einer verrohenden Gesellschaft leben will und was jeder einzelne von uns dagegen tun kann.
Nicht zuletzt dank der vielen Kinder und Jugendlichen, die unter dem Motto „Bühne kapern“ zusammen mit den Profischauspielern das Stück tragen, kann diese Botschaft transportiert werden. Die tolle Schauspielfreude jedes/jeder einzelnen zeigt ganz deutlich, dass die so oft gescholtene Jugend sehr genau weiß, was schief läuft, dass sie es ändern wollen, und dass sie sich nicht scheuen die Finger in die Wunden zu legen. Und so wird ein antikes Stück wieder sehr aktuell. Denn Aristophanes kritisiert in diesem Stück seine Stadt Athen. Das haben der Regisseur und der Dramaturg in dieser Neuinszenierung auch getan und einige sehr deutliche Kritikpunkte an der Stadt Konstanz eingestreut, die große Lacher ernten, denn jeder Zuschauer weiß, dass sie mehr als angebracht und wahr sind.
Das fantastische Bühnenbild mit einem Bällebad (wie gern würde ich da mal reinhüpfen!) in den Farben mint und rosa, sowie die knallbunten Kostüme haben mich an das Musikvideo von „Barbie Girl“ (ich weiß, ich bin alt) erinnert. Und man hat gemerkt wie viel Spaß die Darstellenden auf dieser Bühne hatten. Außerdem zeigt sich so, dass es nicht immer viele Kulissenumbauten und Technik braucht, um ein großartiges Stück zu zeigen. Es kommt auf die Spielfreude an, die transportiert die Aussagen.
Das „Schirmherr – Schirm, her!“ – Geplänkel ging mir persönlich einen Ticken zu lang, aber auch sowas muss man als Zuschauer mal aushalten können.
Auch wenn das Stück teilweise in Originaltext (heißt das so? Es ist natürlich auf deutsch, nicht auf altgriechisch, aber halt nicht unsere heutige Sprache) aufgeführt wird, ist es von der Gesamtinszenierung sicher eher ein Stück für jüngeres oder junggebliebenes Publikum und solches, das sich auf Experimente einlässt, ein Publikum, das mit Kritik umgehen kann und nicht uneingeschränkt hinter der Konstanzer (Kultur-)Politik steht. Ich schätze mal, dass es den älteren Herrschaften eher zu laut und rock-poppig-schrill ist, und dass zu viel geflucht wird für sie.
Aber auch denen würde ich einen Besuch des Stücks empfehlen – hilft vielleicht beim Nach- und umdenken! Und dabei nicht überheblich auf die jungen Leute und Andersdenkende hinabzuschauen!
© Fotos: Ilja Mess fürs Theater Konstanz