Zum Begriff „Renaissance“
Obwohl die Epoche „Renaissance“ genannt wird, also einen französischen Namen hat, fing sie in Italien an. Sie müsste eigentlich also „Rinascimento“ heißen. Um 1400 beginnt dieser neue Stil in Florenz, natürlich – wie immer – nicht von heute auf morgen, es ist wie immer ein fließender Übergang.
Je nach Ort geht die Gotik langsam in die Renaissance über, an anderen Orten geht´s schneller. Die nachfolgende Stil-Epoche ist der Barock, die Übergangsphase von Renaissance zu Barock nennt man Manierismus (der Manierismus ist die Spätform der Renaissance).
Die Renaissance ist jedoch von den Zeitgenossen nicht als Renaissance benannt worden, der Begriff stammt erst aus dem 19. Jahrhundert. Mit diesem Begriff bezeichneten die Kunsthistoriker des 19. Jahrhunderts das Wiederaufblühen der antiken Kunst. Man bezeichnete damit die Zeit, in der die „Wiedergeburt“ (=Renaissance) der Antike gefeiert wurde, nachdem das Zeitalter des barbarischen Mittelalters überwunden war.
Im 14. und 15. Jahrhundert sind vor allem die Begriffe „restauratio“, „regeneratio“ und „restitutio“ belegt. Einer der ersten Kunsthistoriker des 16. Jahrhunderts, Giorgio Vasari, verwendet den Begriff „rinaschimento“ als erstes in seinen Schriften für die Erneuerung der Kunst. So entwickelte sich nach und nach ein Bewusstsein der Zeitgenossen für ihre Gegenwart und die Besonderheit dieser Zeit. Es war den Menschen durchaus klar, dass hier gerade Neuerungen im Gange waren.
Ähnlich wie bei der Gotik ist die Renaissance nicht allein ein Kunst-Stil, sondern eine umfassende, alle Bereiche betreffende Entwicklung. Vielleicht hast du auch mal den Begriff des Universalgelehrten gehört, der ebenfalls aus der Renaissance stammt. Damit sind Personen gemeint, die sich in allen damals bekannten Teilgebieten der Künste und Wissenschaften auskannten.
Der Beginn
Anfangs ging es den italienischen Frühhumanisten wie Giovanni Bocaccio oder Lorenzo Valla erstmal nur um die Wiederbelebung und Erforschung der antiken Sprachen und Literatur. Der Kunst- und Architekturtheoretiker Leon Battista Alberti und der Künstler (er war Bildhauer, Goldschmied und Theoretiker) Giovanni Ghiberti zeigen ihr Verständnis der neuen Zeit und des Epochenwandels in ihren Kunstwerken und ihren theoretischen Schriften. Sie erklärten, dass es bei der neuen Kunst und ihren Regeln um eine Wissenschaft handle. Das Studium der Perspektive und er menschlichen Anatomie war besonders wichtig in der Ausbildung.
Bekannte Künstler dieser Zeit sind Leonardo (da Vici), Michelangelo, Lucca della Robbia, Filippo Brunelleschi, Donatello und viele andere. Wir sind in der Zeit der Medici, die weite Teile Italiens von Florenz aus regieren (obwohl sie es geschickt schaffen, so zu tun, als seien sie keine Herrscher). Die bekanntesten Kunstwerke sind die Kuppel des Florentiner Doms, die Türen des Baptisteriums beim Florentiner Dom, die Mona Lisa, der David etc.
Woran erkenne ich die Renaissance-Kunst?
Leitmotive der Architektur sind Kreis, Quadrat und der Goldene Schnitt. Weitere Motive, die man der Renaissance-Kunst zuordnen kann, sind Kassettendecken und Säulen, die sich an den antiken Säulenordnungen orientieren. Vorbild für die meisten neuen Bauvorhaben der Renaissance ist der antike Tempel. Zumindest in Itallien. Nördlich der Alpen sieht das alles ein bisschen anders aus, aber dazu später mehr.
Da man sich für den menschlichen Körper und seine Bewegungen besonders zu interessieren begann und die Anatomie studierte, ist der Akt eine bevorzugte Darstellungsart bei der Skulptur der Renaissance. Die Skulpturen werden eigenständiger, da die Architektur kaum noch bauplastischen Schmuck zuließ. Man kopierte zunehmend antike Statuen. Auch Reliefs, Grabdenkmäler und Bildnismedaillons werden als Darstellungsmöglichkeiten für das Individuum genutzt. Die Landschaft und verkürzte Architekturdarstellungen füllen dabei häufig den Hintergrund.
In der Malerei entdecken die Künstler die Landschaft im Hintergrund als neues Motiv und ersetzen nach und nach den mittelalterlichen Goldgrund. Besonders bedeutend wird für die Malerei die Darstellung von Raum und Körperlichkeit. Da man die Zentralperspektive entdeckt wurde, ist es möglich die Figuren in Räumen einzufügen, die mathematisch konstruiert wurden und dreidimensional erscheinen.
Wie ist das jetzt mit der Renaissance am Konstanzer Münster?
Nördlich der Alpen standen im 15. und 16. Jahrhundert eher nicht so viele antike Tempel mehr rum, daher waren sie nicht bei allen Bauvorhaben die direkten Vorbilder. In Deutschland ist die Renaissance meistens eher ein Dekorations- und Ornamentalstil, vor allem wenn es sich um An- und Umbauten handelt. So auch am Konstanzer Münster.
Während die beiden Westtürme eine bewegte Baugeschichte haben und nach Bränden wieder aufgebaut wurden, stammt die Westvorhalle aus der Zeit um 1506/08. Vermutlich hatte die erste Vorhalle ein vier- oder sechsteiliges Gewölbe. Den großen Brand von 1511 hatte sie unbeschädigt überstanden, trotzdem zog man 1518 das neues Gewölbe mit dem Sprengring ein, das man heute noch sieht. Dieses neue Gewölbe liegt tiefer als das ursprüngliche und „drückt“ deshalb ein bisschen auf den Großen Christus am Kreuz, der in der Vorhalle hängt.
Die wertvollen Holztüren des Konstanzer Münsters sind – wie die Inschrift besagt – 1470 geschaffen worden. Um 1504 wurden sie der veränderten Portalöffnung angepasst: die äußeren, durchgängigen Bordürenleisten und die schulterbogigen Aufsätze mit den Reliefs vom Hl. Pelagius und vom Hl. Konrad wurden ergänzt.
Auch wenn die Darstellung der einzelnen Relief noch deutlich auf die Gotik verweisen, zeigt die Inschrift, dass wir schon in der Renaissance angekommen sind. In der Inschrift steht geschrieben, dass die Türen von Simon Haider geschaffen wurden. Das Bewusstsein, dass ein Künstler ein Künstler ist und nicht einfach „nur“ ein Handwerker, entsteht im Zuge der Renaissance. Erst seit der Renaissance signieren Künstler ihre Kunstwerke.
Wenn wir durch die Hauptportaltüren nach innen gehen und uns dann zum Portal umdrehen, entdecken wir die Orgelempore mit der mächtigen Orgel. Die Orgel selbst stammt erst aus den 1950er Jahren, aber die Orgelempore ist ein Einbau des 16. Jahrhunderts. Teile des bemalten Orgelprospekts stammen ebenfalls noch aus dieser Zeit.
Ein weiteres Bauteil aus der Renaissancezeit ist nicht mehr vorhanden. Im 16. Jahrhundert hat man auf die beiden Stümpfe der Westtürme die von den Bauforschern „Käseglocken“ genannten Maßwerkhauben aufgesetzt. Im 19. Jahrhundert wurden diese abgebaut, als man das Münster im „gotischen Stil“ (bzw. wie man dachte, dass es ursprünglich in gotischer Zeit geplant war) fertig gebaut wurde. Auf alten Abbildungen kann man diese Käseglocken noch sehen. Die heutigen „Käfige“ auf den Plattformen erinnern in ihrer Form ein bisschen an diese Maßwerkhauben.