Heute ist Tag des Gartens. Das ist doch ein guter Grund sich mal die Themen „Garten“ und „Blumen“ in der Kunst anzuschauen. Beides sind komplexe Themen, die auf vielfältige Weise umgesetzt wurden und werden, aber einen kleinen Einblick kann ich dir geben.
Meister des Paradiesgärtleins: Paradiesgärtlein
Springen wir mal ins 15. Jahrhundert und schauen uns das Paradiesgärtlein des Oberrheinischen Meisters an. Das Gemälde in Mischtechnik auf Eichenholz befindet sich heute im Städelmuseum in Frankfurt am Main. Das eigentliche Thema des Bildes ist allerdings die Zusammenkunft von Maria mit dem Christuskind und Heiligen in einem Paradiesgärtlein. Der von einer Zinnenmauer umschlossene Garten (Fachbegriff: „Hortus conclusus“) ist ein Symbol für die Jungfräulichkeit Mariens. In diesem Garten befinden sich Maria mit dem Christuskind, Engel und Heilige in mehreren Grüppchen.
Als Hauptfigur ist Maria überdurchschnittlich groß dargestellt und sitzt lesend leicht links hinten auf deinem breiten Sitz. Neben ihr steht ein Marmortisch mit sechseckiger Tischplatte, auf der eine Schale mit Äpfeln und ein Noppenglas zu sehen sind. Wie mit Kindern üblich liegt ein angeschnittener Apfel auf dem Tisch.
Das Christuskind spielt zu ihren Füßen auf einer Zitter, die das Attribut der weiblichen Heiligen sein könnte, die sich um das Kind kümmert. Hinter dieser Frau schöpft eine weitere Frau mit einer goldenen Schöpfkelle Wasser aus einem Marmortrog.
Bei der Dame mit dem blauen Kleid könnte es sich um die Heilige Elisabeth von Thüringen handeln. Neben der lesenden Maria pflückt eine Frau in rotem Kleid Kirschen von einem Baum, es handelt sich bei ihr um die Heilige Dorothea, der vor ist stehende Korb ist nicht nur ein praktisches Utensil, um die Kirschen aufzusammeln, sondern auch ihr Attribut.
In der rechten unteren Ecke sind drei Männer um einen Baum gruppiert. Ein Mann in weißen Beinlingen und rot-braunem Umhang umarmt einen schmalen Baum. Davor sitzen der Heilige Georg in Rüstung und mit seinem Attribut, dem Drachen, sowie der Erzengel Michael, erkennbar an seinem Attribut dem Teufelchen. Der Engel ist die einzige Figur, die aus dem Bild heraus den Betrachter ansieht.
Auf diesem Tafelgemälde sind insgesamt 24 Pflanzen- und 12 Vogelarten identifizierbar (u. a. Klee, Märzbecher, Maiglöckchen, Dompfaff, Buchfink, Wiedehopf). Hinter dem Mann am Baum sieht man eine Amsel, auf der Rinne in der linken unteren Bildecke sitzt ein Eisvogel. Neben dem Erzengel wachsen leckere Erdbeeren, im Hintergrund kann man zum Beispiel Lilien erkennen. Beides sind Symbole für die Jungfräulichkeit Mariens.
Soweit zum Paradiesgärtlein, zu dem man natürlich noch viel mehr sagen könnte.
Maria Sybilla Merian: Buschrose mit Miniermotte, Larve un Puppe
Die berühmte Naturforscherin und Künstlerin Maria Sybilla Merian wuchs in Frankfurt auf und unternahm 1699 eine zweijährige Reise in die niederländischen Kolonien. Nach ihrer Rückkehr publizierte sie ihr Hauptwerk „Metamorphosen insectorum Surinamensium“, dank ihrer genauen Beobachtungen und Darstellungen zur Metamorphose der Schmetterlinge gilt sie heute als Wegbereiterin der modernen Insektenkunde.
Sie beobachtete systematisch Insekten und forschte zu ihren Lebensumständen, so konnte sie aufzeigen, dass jede Schmetterlingsart als Raupe von bestimmten Futterpflanzen abhängig ist und dort ihre Eier ablegt. Ihr selbstgezeichnetes Original erhielt viele Nachdrucke, die jedoch nicht dieselbe Qualität erreichten.
Im Text zu diesem Blatt im Raupenbuch erwähnt Merian, dass die kleine grüne Raupe mit schwarzem Kopf die Rosenblüte von innen auffräße und gab das in ihrer Darstellung wieder. Die Rose ist hier also eigentlich nur Staffage, die eigentliche Hauptfigur ist die Raupe.
Im Originalbuch war die Hauptblüte der Rose als echtes Präparat eingeklebt. Dieses Aquarell auf Pergament entstand 1679 und befindet sich heute im Städelmuseum.
Jan van Huysum: Korb mit Blumen
In der alten Pinakothek in München befindet sich eine Malerei auf Holz des niederländischen Künstlers Jan van Huysum, das einen Korb mit Blumen zeigt. Was erst einmal recht banal klingt, zeigt jedoch einige spannende Aspekte, wenn man genauer hinsieht. Erstmal sind Blumen, Blätter und Zweige ein Zeichen der Vitalität, des Lebens. Da sie aber in der niederländischen Malerei in der Regel als Schnittblumen gezeigt sind und somit nach und nach vertrocknen, gelten sie als Aspekt der Vergänglichkeit.
Husum malte meistens Sträuße mit verschiedenen Gartenblumen wie Tulpen, Rosen, Nelken und ähnlichen Blumen, die mit Insekten und Schmetterlingen belebt sind. Meist begleiten diese Sträuße noch Obst und Vogelnäster oder ähnliches. Jede gezeigte Blume hat in der Malerei eine Bedeutung. So ist der rote Mohn im Hintergrund, aus dem ein Beruhigungsmittel hergestellt werden kann, ein Symbol für Schlaf und die Todsünder der Trägheit, aber wegen der roten Farbe steht er auch für die Passion Christi.
Die Rose in allen Formen und Varianten steht als Symbol der Venus für Liebe und Sexualität, beides Dinge, die im Mittelalter jedoch als eitel und verpönt galten.
Die farbenfrohen Tulpen können doch nur für Lebensfreude und Fröhlichkeit stehen, oder? Naja, in den niederländischen Stillleben werden sie durch die Tulpenmanie und die damit einhergehenden Wirtschaftsprobleme jedoch zum Sinnbild für Leichtsinn, Verantwortungslosigkeit und dem unvernünftigen Umgang mit Geld.
Die Früchte stehen einerseits für Fruchtbarkeit und Wohlstand, Fülle und Reichtum. Doch wir kennen das alle: Obst kann schnell verderben, und verfaultes Obst steht dann wieder für die Vergänglichkeit. Da es heute um Garten und Blumen geht, gehe ich nicht auf die weitere Aussage von Obst ein, denn auch jede Obstsorte hat wiederum eine eigene Bedeutung. Auch Insekten muss man sich ganz genau ansehen, um sie bewerten zu können.
John Everett Millais: Ophelia
Eins meiner Lieblingsbilder in der Kunstgeschichte ist die Ophelia von John Everett Millais, das ca. 1851 entstand und ein Ölbild auf Leinwand ist. Du findest es heute in der Tate Britain in London. Wir sehen hier die weibliche Hauptfigur aus Shakespeares Stück „Hamlet“ wie sie im Fluss treibt, kurz bevor sie ertrinkt.
Das Bild entstand in zwei Schritten: Millais malte vor Ort die Landschaft, wobei ihn angeblich Mücken belästigten und er immer wieder Ärger bekam, da er auf der Suche nach dem besten Bildausschnitt auch Privatgelände betrat und Heu zerstörte. Im zweiten Schritt malte er dann im Studio die Figur der Ophelia. Dies fand im Winter statt und in seinem Studio war es wohl nicht so wirklich warm. Sein Model, die Künstlerin Elizabeth Eleanor Siddal, posierte voll bekleidet in einer Badewanne und zog sich dabei eine schwere Erkältung zu. Denn Millais war so vertieft ins Malen, sodass er vergass die Kerzen zu erneuern, die die Wanne von unten wärmten (ich stelle mir das so wie einen großen Reuchaud vor). Elizabeths Vater regte sich so auf, dass er Millais mit rechtlichen Schritten drohte bis der die Arztrechnung übernahm.
Die Blumen im Fluss sind aus Shakespeares Werk übernommen, spiegeln aber auch das viktorianische Interesse an einer Blumen-Bedeutungssprache wider. So steht der Mohn z. B. für Schlaf und Tod und bezieht sich somit direkt auf Ophelia.
John William Waterhouse: The Soul of the Rose
Auch die Bilder von John William Waterhouse gefallen mit großteils sehr gut. Viele seiner mystischen Bilder sind bekannt, ich habe hier mal das Öl-auf-Leinwand-Gemälde The soul of the rose ausgewählt, das sich in einer Privatsammlung befindet. Waterhouse lebte einen Teil seines Lebens in Rom und wurde in ein künstlerisches Umfeld geboren, da seine Mutter auch Malerin war. Er wurde an der Royal Academy ausgebildet und fand Inspiration unter anderem in der Literatur von Alfred Lord Tennyson. In diesem Bild reisen wir ganz eindeutig nach Italien wie die Umgebung mit den Mauern verrät. Kannst du die Rosen riechen? Die Sonne auf der Haut spüren? Ich finde, dass dieses Bild sehr intensiv ist und man das Gefühl hat direkt neben der Dame zu stehen, sich gleich mit ihr unterhalten zu können. Und trotzdem ist noch eine gewisse Distanz da, wir kennen uns noch nicht gut.
Max Beckmann: Stillleben mit Mimosen
Auch der große Max Beckmann verwendet immer wieder Blumen in seinen Bildern, um Aussagen subtil zu tätigen. Im „Stillleben mit Mimosen“ von 1939, das sich ebenfalls im Städel befindet, sind auf einer weißen Tischdecke ein blühender Mimosenstrauß, ein leeres Glas und ein zugeschlagenes Buch angeordnet. Es sieht nach einer heiteren Stimmung und Freude aus, vielleicht nach den Überresten eines Fests oder einer kleinen Party?
Das Buch eben noch dazugelegt, um die Hände freizuhaben. Doch bedenkt man die Entstehungszeit und die Tatsache, dass Beckmann erst aus Frankfurt und schließlich aus Berlin fliehen musste, später in die USA emigrieren wollte, aber während des Zweiten Weltkriegs nicht durfte und zu den sogenannten „entarteten“ Künstlern gezählt wurde, dann ist dieses Bild vielleicht doch nicht ganz so heiter. Du kennst vermutlich den Ausdruck „Sei keine Mimose“, der mit dieser Blume in Verbindung steht. Denn die Mimose ist eine Blume, die ihre Blütenblätter bei Berührung in Sekundenschnelle zusammenzieht und deswegen als Synonym für einen sensiblen Menschen verwendet wird (meistens nicht im positiven Kontext). Auf dem Buchdeckel kannst du den Namen des aufklärerischen Philosophen Voltaire entziffern. Und so wird das auf den ersten Blick harmlose Stillleben zu einem Sinnbild einer höchst politischen, unsicheren Zeit. Beckmann versucht immer wieder diese Situation mit seiner Malerei zu begegnen und sie zu verstehen.
Ich hoffe dir hat mein kleiner Ausflug in die Garten- und Blumenwelt der Kunst gefallen. Natürlich ist das hier nur ein kleiner Beitrag, über jedes Bild könnte man seitenweise schreiben, es gibt unglaublich viel zu entdecken. Und selbstverständlich gibt es noch viele weitere Kunstwerke, die Garten oder Blumen als Themen haben. Aber ich wollte wenigstens einen kleinen Einblick geben zum Tag des Gartens.
Wenn du eine kurze Gartenmeditation machen möchtest, dann schau auf meinem YouTube-Kanal vorbei: Grüsse vom See (Grüsse vom See ist mein Food-, Buch-, Glücksmomente-Blog).