So, heute kommen wir zum letzten Teil meines Überblicks der Bauphasen am Konstanzer Münster. Ich möchte noch die Bauphase des Historismus ansprechen.
Was war der Historismus?
Etwas flapsig formuliert, ist der Historismus der Architektur-Gemischwarenladen des 19. und auch noch des 20. Jahrhunderts. Bei einem Neubau oder auch bei der Überarbeitung eines bereits vorhandenen Gebäudes griff man auf verschiedene Stilrichtungen zurück, die es bereits gegeben hat. Lustig kombinierte man die Motive, die man schön fand, und schuf so wunderbare, schöne und teilweise auch skurrile Neuschöpfungen.
Den verwendeten Stilen wird die Silbe „Neo-“ vorneweg gestellt, um klarzumachen, dass es sich nicht um den Originalstil handelt, sondern um die Neuschöpfung. Also gibt es Romanik – Neoromanik, Gotik – Neogotik, Renaissance – Neorenaissance, Barock – Neobarock. Die Neo-Stile sind immer einen Ticken zu geleckt und zu perfekt, allerdings ist das meistens nicht so einfach zu erkennen.
In Großbritannien gibt es bereits Ende des 18. Jahrhunderts Gebäude, die nicht im klassizistischen Stil errichtet wurden, sondern schon mit historistischen Motiven.
Einerseits befriedigte dieses neue Bauen das Repräsentationsbedürfnis derjenigen, die durch die industrielle Revolution immer reicher wurden und natürlich ihren neuen Stand und ihren Reichtum zur Schau stellen wollten. Andererseits kamen gerade durch die industrielle Revolution plötzlich neue Bauaufgaben auf. Bisher gab es keine Bahnhöfe, keine Brauereien, Fabriken oder Wassertürme. Und so stellte sich die Frage: Wie sehen diese Bauaufgaben aus?
Je nach Funktion hat man sich häufig einen der alten Stile ausgesucht. Bahnhöfe sind häufig neogotisch gebaut, das Vorbild hierfür waren die großen Kathedralen der Gotik. Mit ein bisschen Fantasie kann man die Bahnhofshallen mit einem Kirchenschiff vergleichen.
Brauereien waren etwas handfesteres, da nahm man häufig die Romanik als Muster, z.B. große Burgen. Deshalb sehen viele Brauereien im 19. Jahrhundert aus wie kleine Burgen im Stadtgebiet.
Für Banken dienen meistens Renaissancegebäude als Beispiele, vielleicht um auf die großen Renaissance-Familien von Florenz zu verweisen?
Neugebaute Theater des 19. und 20. Jahrhunderts sehen oft aus wie Barockgebäude.
Gegen Ende des Historismus entsteht der Jugendstil, eine zeitlang existieren dann beide gleichzeitig. Aber der Jugendstil ist dann das Thema für einen anderen Beitrag.
Historismus am Konstanzer Münster
Aus Quellen weiß man, dass das Konstanzer Münster im 19. Jahrhundert in einem beklagenswerten Zustand und es gab Überlegungen, ob man es komplett abreißen sollte.
Schließlich entschied man sich zur Restaurierung, die 1844 Leopold von Baden genehmigte. Diese Restaurierung ist eine frühe Form der Denkmalpflege.
In den Jahren 1846-60 wurden Außenmauern instandgesetzt. Allerdings wollte man hierbei einen Idealzustand herstellen und regotisierte einige Bauteile.
Süd- und Nordportal wurden erneuert, und auch das Maßwerk in den Kapellenfenstern an der Nordseite wurden ergänzt. Am Konstanzer Münster gibt es also einiges an Historismus zu entdecken.