Wer hier schon länger mitliest, der weiß, dass ich ein großer Musicalfan bin und schon ein paar davon gesehen habe. Deshalb war ich sehr neugierig auf „Jesus Christ Superstar“, das in dieser Spielzeit im Theater Konstanz aufgeführt wurde. Zwar hatte ich von diesem Musical, oder besser der Rock-Oper wie sie eigentlich genannt werden will, von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice schon gehört, aber ich hatte noch keine Inszenierung oder den Film bisher gesehen. Das Stück zeigt – angelehnt an die Bibel – die letzten sieben Tage im Leben Jesu.
Auch ohne die beiden sehr unterschiedlichen Zeitungsberichte in den Regionalzeitungen beiderseits der Grenze hätte ich mir das Stück angeguckt, so aber war ich noch interessierter. Und ich muss sagen, mir ist völlig schleierhaft was der Journalist vom Südkurier gesehen hat. Das Stück war großartig und unterhaltsam.

In der Inszenierung von Ingo Putz ist Jesus Mittelpunkt einer Gruppe junger Leute, die als seine Follower jeden seiner Schritte verfolgen und über die er langsam aber sicher die Kontrolle verliert. Jesus selbst bemerkt das anfangs gar nicht und ist eher genervt über die mahnenden Worte von Judas, der schon zu Beginn des Stücks bemerkt, dass was gewaltig schief läuft.
Im Laufe der Zeit beginnt jedoch auch Jesus an seiner Mission zu zweifeln und zeigt sich dem Zuschauer verletzlich und letztlich als ein normaler Mensch, der vor dieser schier unlösbaren Aufgabe sich ganz klein vorkommt. Dann resigniert er und fügt sich schließlich in sein Schicksal, um schließlich am Kreuz hängend kurz vor seinem Tod Gott um Fürbitte für die Menschen anzuflehen. Als Jesus nach dem Abendmahl im Kreise der schlafenden Jünger in einer Solonummer Gott regelrecht anklagt und wissen will, was er mit ihm vorhat, ist das einer der Gänsehautmomente des Stücks.
Für mich besonders eindrücklich waren die Figuren des Judas und Pontius Pilatus. Der in der biblischen Darstellung ja immer der Bösewicht ist. Hier wird er aber als Mensch gezeigt, der mit seiner Rolle in der Menschheitsgeschichte hadert und der große Schuldgefühle hat, als er feststellt, dass er zwar das richtige tun wollte, aber im Endeffekt nur ein Spielball in den Händen der Mächtigen war.

Auch Pontius Pilatus, der römische Statthalter, wird als Figur gezeigt, die einerseits kopfschüttelnd dem ergebenen Jesus gegenübersteht, die andererseits aber noch keine Straftat in seinem Verhalten erkennen kann. Mehrmals versucht er Jesus Brücken zu bauen, um ihn zu retten, muss aber schließlich erkennen, dass er nichts tun kann.

König Herodes´ Palast ist als durchgeknallter, bunter und ausschweifender Ort gestaltet worden. Herodes verhöhnt Jesus und scheint sich nicht wirklich für irgendwas zu interessieren, was außerhalb seines übergroßen Egos existiert. Was will man aber auch von einem Herrn erwarten, der – laut Legende – seine Schwägerin begehrte und seiner Stieftochter gegen einen betörenden Tanz den Kopf von Johannes dem Täufer schenkte? Insofern war die Darstellung des Herodes hier noch recht harmlos. Das goldene Höschen des Herodes sorgte in Gesprächen nach dem Ende der Darstellung an der Bushaltestelle übrigens noch für erhitzte Gemüter bei einigen Damen 😉

Als starke weibliche Gegenfigur zu all den Kerlen ist Maria Magdalena als eigenständige, selbstbewusste und selbstbestimmte Frau inszeniert, die aus freien Stücken Jesus nachfolgt und sich in einer Soloszene selbst hinterfragt, als sie in „I don´t know how to love him“ ihre Gefühle und ihr bisheriges Leben überdenkt.

Und über allem schwebt immer die Frage „was wäre, wenn…“. Was wäre, wenn sich Jesus anders entschieden hätte? Was wäre, wenn er sich geweigert hätte? Was wäre, wenn Judas ihn überzeugt hätte? Wenn er ihn nicht verraten hätte? Da kommt mein Autorenhirn in Gang und fängt an zu überlegen wie man die Geschichte dann wohl erzählen würde…

 

Auf einem reduzierten, je nach Beleuchtung fast schon kalten Bühnenbild bleibt viel Platz für das Spiel der Schauspieler und des Chores, um die verschiedenen Gefühle und Befindlichkeiten dem Zuschauer rüberzubringen. Die Schauspieler haben kaum Sprechtext und müssen so durch die englischen Songs und ihre Art zu spielen die Zuschauer in den Bann ziehen, was jedem einzelnen ohne Probleme gelingt. Die Musiker sitzen die gesamte Zeit live mit auf der Bühne – teilweise durch die Beleuchtung in den Hintergrund geschoben, aber immer präsent. Da alle Texte auf englisch gesungen werden, gibt es Untertitel mit der deutschen Übersetzung, was bei den Szenen, in denen der Chor singt, teilweise nötig ist, da man hier die Sänger nicht immer verstanden hat. Bei den Solosängern war es für mich nicht nötig. Im Gegensatz zu anderen Inszenierungen am Theater Konstanz war hier auch die Lautstärke gut auf den Raum abgestimmt.

Bemerkenswert ist auch, dass fast alle Hauptrollen mit Schauspielern des Theaters besetzt werden konnten, was die Qualität des Ensembles aufzeigt.
Ich war in einer ausverkauften Vorstellung und die Leute waren wirklich begeistert. Liebes Theater, vielleicht kann man das Stück ja mal wieder aufführen in der nächsten Spielzeit?
Für mich eine wirklich sehenswerte Inszenierung dieser Rock-Oper und eins der besten Stücke, die bisher im Theater gezeigt wurden.

MITLaura Lippmann (Maria Magdalena), Ingo Biermann (Judas Ischariot), Thomas Fritz Jung (Pontius Pilatus), Arlen Konietz (Jesus von Nazareth), André Rohde (Petrus/Herodes), Florian Rummel (Annas/Simon), Norbert Wendel (Kaiphas)
MUSICALDARSTELLERAloysia Astari, Patrick Miller, Marco Orschler, Jennifer Schecker, Nike Tiecke, Moritz Weber-Jänichen
CHORSora Sam, Gerrit Stenzel, Christoph Heiss, Robert Langerrt, Milda Jasiunaite, Jonna von der Leeden, Anabel Roschmann
BANDFrank Denzinger, Martin Deufel (SUB), Jean-Pierre Dix (SUB), Benjamin Engel, Stefan Gansewig (SUB), Rudolf Hartmann, Albert Ketterl, Menuhin Reinen, Ad Schwarz

© alle Fotos: Bjørn Jansen, Theater Konstanz